"Do wachet amol i ra Novembernacht a g'wachsener Bua am Krankabett
sei's Vattersch, ('s soll i's Ruckles Haus i der Reuthe, mo der
Mühlacker druf ra lauft, g'wea sei) as ebbes am Feanschter gega
dGaß, druimol leicht klopfet. Der Bua schtand uf vom Schtuahl,
gucke dur dScheibe naus, seah aber Niamed, doch hair ear ganz
deutlich a fremde Schtimm saga: "Esset Brau'nella, no schterbt er
net älla!"
Braunella seia glücklicherweis em Haus g'wea; dear Bua geab seim
Vatter de ganz Nacht ei, em Moargeds sei dear besser g'wea und ao
wiader ufkomma.
Wia Fuier häb se dös Wunder dur da Ort verbroatet; händvollweis häba
Kranka und G'sunda, ao für da Hunger gessa und der Schterbet häb
ufg'hairt, so daß vo deam a, ao net a Oazichs maih g'schtorba sei."
Soweit das Zitat aus der Ortschronik von Plattenhardt von Pfarrer
Martin Bürkle über das Ende der Pest im Jahre 1635.
Seit Urzeiten haben Menschen versucht, Krankheiten mit natürlichen
Mitteln zu heilen oder zu lindern. Unsere traditionsreichsten Arzneien
sind dabei die Heilpflanzen.
Viele der in Filderstadt vorkommenden Pflanzenarten besitzen eine
heilende Wirkung. Die Anwendung dieser Heilpflanzen beruht meist auf
der Überlieferung der volkstümlichen Erfahrung. Doch auch die moderne
Medizin versucht, aus dem Riesenschatz der traditionellen Heilpflanzen
diejenigen herauszufiltern, deren Anwendung wissenschaftlichen
Maßstäben genügt.
Die Ziele der modernen Phytotherapie (wörtlich übersetzt: "Behandeln
mit Pflanzen") sind folgende:
- wirksame Pflanzen bzw. Pflanzeninhaltsstoffe zu erkennen und
zu identifizieren
- Die von Bürkle beschriebene Therapie der Pest würde diesem
Anspruch sicher nicht genügen, sie ist wohl den Sagen zuzuordnen.
- Nebenwirkungen von Pflanzenanwendungen zu erkennen und auszuschließen
Die landläufige Meinung, Heilpflanzen seien ohne Nebenwirkungen,
ist grundlegend falsch. Viele pflanzliche Zubereitungen können
gefährliche Nebenwirkungen hervorrufen, wie etwa die Anwendung von
Sennesblättern als Abführmittel während der Schwangerschaft.
- die wirksamen Pflanzeninhaltsstoffe zu isolieren
- für die entsprechenden wirksamen Pflanzeninhaltsstoffe eine
sinnvolle Dosierung festzulegen
- So erfordern zum Beispiel die hochwirksamen Herzglykoide des
Fingerhutes eine sehr genaue Dosierung, um Vergiftungen zu vermeiden.
- zu erforschen, unter welchen Voraussetzungen die wertvollsten
Heilpflanzen gewonnen werden können.
- Boden und Klima haben ebenso einen Einfluß auf die Inhaltsstoffe
wie der richtig gewählte Erntezeitpunkt und eine schonende, sofort an
die Ernte anschließende Verarbeitung (z.B. Trocknung).
Nach der Ernte werden die wirksamen Pflanzenteile meist durch Trocknung
haltbar gemacht. Die getrocknete Ware nennen wir Droge (nicht zu
verwechseln mit Rauschmitteldrogen!). Bekannte Drogen sind z.B.
Pfefferminzblätter, Ringelblumenblüten, Faulbaumrinde und Leinsamen.
Eine Expertenkommission im ehemaligen Bundesgesundheitsamt hat das Heer
der in Deutschland verwendeten Heilpflanzen durchkämmt und diejenigen
herausgesucht, deren Wirkung bei einer bestimmten Erkrankung zu
beweisen ist. Für jede dieser Pflanzen wurde dann eine Art Steckbrief,
eine sogenannte Monographie, erstellt, in der die Droge in ihren
Eigenschaften und Wirkungen beschrieben ist. Insgesamt wurden von
der Kommission 360 verschiedene Drogen bearbeitet. Die positiv
bewerteten Monographien bilden die Grundlage des in der Apotheke
verwendeten Schatzes an Arzneipflanzen. Ständige Kontrollen während
der Verarbeitung sowie in der Apotheke garantieren dann hohe
Qualitätsnormen hinsichtlich des Gehaltes an Wirkstoffen in den
einzelnen Drogen. Sie unterscheiden sich damit deutlich von
landläufigen "Feld - Wald - Wiesenmischungen".
Welche Stoffe in den Pflanzen heilen denn nun?
Von den unzähligen Verbindungen, die in jeder Pflanze vorkommen,
wird folgenden Verbindungen eine Heilwirkung zugeschrieben:
Ätherische Öle: |
Sie kommen in allen aromatisch riechenden Pflanzen vor wie etwa
Kamillenblüte, Pfefferminzblätter und Kümmelsamen.
|
Alkaloide:
| Sie sind schon in geringsten Mengen stark wirksam. Bekannte
Beispiele sind Codein, Nicotin und Atropin. |
Bitterstoffe:
| Drogen mit Bitterstoffen werden meist als Magen-Darm-Mittel
eingesetzt (Beispiel: Enzianwurzel). |
Fette Öle:
| Hierzu zählt das Rizinusöl. |
Gerbstoffe:
| Sie sind in sehr vielen Pflanzenarten enthalten. Bekannt sind:
Salbeiblätter und Eichenrinde. |
Glykoside:
| Dies sind kompliziert gebaute Verbindungen mit spezifischer
Wirkung. Häufig angewendet werden z.B. die herzwirksamen Glykoside
des Fingerhutes. |
Saponine:
| Saponine sind pflanzliche Seifenstoffe. |
Schleimstoffe:
| Enthalten in Drogen wie dem Leinsamen oder dem Isländischen Moos. |
So unterschiedlich wie die verwendeten Pflanzenteile und die wirksamen
Inhaltsstoffe sind, so unterschiedlich muß auch die Zubereitung der
Drogenauszüge erfolgen. Folgende Zubereitungen sind im Hausgebrauch
üblich:
Aufguß (Infus):
| Tees aus Blatt- und Blütendrogen werden durch Übergießen mit
kochendem Wasser und anschließendem, knapp zehnminütigem Ziehen
zubereitet (Beispiel: Pfefferminzblätter). |
Abkochung (Decoct):
| Harte Drogen wie Wurzeln, Rinde und Hölzer werden zur Teebereitung
5 bis 10 Minuten ausgekocht (Beispiel: Süßholzwurzel). |
Kaltwasserauszug (Mazerat):
| Schleimhaltige Drogen werden mehrere Stunden im kalten Wasser
ausgezogen (Beispiel: Eibischwurzel). |
Öliger Auszug:
| Bestimmte Drogen werden mehrere Tage in pflanzlichen Ölen ausgezogen
(Beispiel: Johanniskraut). |
Alkoholischer Auszug:
| Drogen mit Bitterstoffen und ätherische Öle können in Alkohol
extrahiert werden (Beispiel: Schwedenkräuter). |
Breizubereitungen:
| Pulverisierte Drogen werden mit Wasser zu einem Brei angerührt
(Beispiel: Senfwickel). |
Daneben bietet sich im Haushalt die Verwendung von Instanttees oder
von Teebeuteln an, die hinsichtlich Dosierung und Freisetzung der
Wirkstoffe viele Vorteile bieten.
Viele Heilpflanzen lassen sich aber nur mit aufwendigen Verfahren
extrahieren und sinnvoll nutzen, so daß sie nur für eine industrielle
Verarbeitung in Frage kommen. Als Folge davon sind ein Drittel aller
weltweit hergestellten Fertigarzneimittel Phytopharmaka und sogar 80%
aller Fertigarzneimittel sind in irgend einer Weise pflanzlichen
Ursprungs, etwa über Syntheseausgangsstoffe. Als Tinkturen, Dragees,
Säfte, Salben und Zäpfchen stehen dem Patienten somit eine weitere
große Zahl von Heilpflanzen in der jeweils optimalen Anwendungsform
zur Verfügung. Nutzen wir diesen reichen Schatz an Heilpflanzen, den
die Natur uns bietet!
Übersicht über die Eigenschaften einiger häufig verwendeter Drogen
Blattdrogen
Pflanze: | Wirkung: | |
Bärentraube | harnantiseptisch |
Birke | harntreibend |
Melisse | verdauungsfördernd |
Pfefferminz | krampflösend bei Magen- und Darmbeschwerden |
Salbei | bei Mund- und Rachenentzündungen |
Sennes | abführend |
Weißdorn (Blatt u. Blüte) | herzkräftigend |
Blütendrogen
Pflanze: | Wirkung: | |
Arnika | heilungsfördernd bei Verstauchungen und Prellungen |
Holunder | schweißtreibend |
Kamille | entzündungshemmend, krampflösend, wundheilend |
Lavendel | beruhigend |
Linde | schweißtreibend |
Gewürznelke | desinfizierend |
Ringelblume | wundheilungsfördernd, entzündungshemmend |
Königskerze | bei Husten: auswurffördernd, reizlindernd |
Früchtedrogen
Pflanze: | Wirkung: | |
Anis | bei Husten: auswurffördernd |
Fenchel | auswurffördernd, blähungstreibend, krampflösend |
Hagebutte | vitaminreich |
Heidelbeere | bei Durchfall |
Kümmel | krampflösend, sekretionsfördernd |
Mariendistel | leberschützend |
Pfeffer | anregend |
Wacholder | harntreibend |
Krautdrogen
Pflanze: | Wirkung: | |
Brennessel | harntreibend |
Frauenmantel | zusammenziehend |
Goldrute | harntreibend |
Johanniskraut | entzündungshemmend |
Mistel | blutdruckregulierend |
Schachtelhalm | harntreibend |
Schafgarbe | appetitanregend |
Tausendgüldenkraut | appetitanregend |
Thymian | hustenlösend |
Weidenröschen | bei Prostataerkrankungen |
Wermut | appetitanregend |
Wurzeldrogen
Pflanze: | Wirkung: | |
Baldrian | beruhigend |
Eibisch | hustenstillend |
Enzian | appetitanregend |
Liebstöckel | harntreibend |
Primel | hustenauswurffördernd |
Rhabarber | abführend |
Süßholz | auswurffördernd, krampflösend |
Iris | zahnungsfördernd bei Kleinkindern |
Sonstige Drogen
Pflanze: | Wirkung: | |
Aloe | abführend |
Bohnenschalen | harntreibend, schwach antidiabetisch |
Chinarinde | appetitanregend |
Faulbaumrinde | abführend |
Flohsamen | abführend |
Isländisch Moos | hustenreizlindernd |
Kürbissamen | bei Blasenschwäche und Prostatabeschwerden |
Leinsamen | abführend |
Myrrhe | desinfizierend, zusammenziehend |
Senf | durchblutungsfördernd |
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