Eines Tages gingen Kupe und sein Vetter Hoturapa zusammen zum Fischen. Nachdem sie ihr Boot an einem geeigneten Platz geankert hatten, warf Kupe seine Leine aus. Kurz darauf sprach er zu seinem Vetter: »Hotu, ich glaube, meine Leine hat sich verfangen. Würdest du wohl für mich hinuntertauchen und sie lösen?«
Hoturapa antwortete: »Gib mir deine Leine, vielleicht kann ich sie ja losmachen!« Kupe jedoch entgegnete ihm: »Das hat keinen Zweck, Hotu, das geht nicht so! Tauche lieber nach unten und bring die Leine für mich nach oben!« Dahinter stand natürlich ein Plan: Kupe begehrte Hoturapas Frau Kuramarotini, und wollte seinen Rivalen aus dem Wege schaffen. Hoturapa, gutgläubig wie er war, schöpfte keinerlei Verdacht und tauchte tatsächlich nach unten, um Kupes Leine nach oben zu bringen.
Kaum aber war er unter der Wasseroberfläche verschwunden, da durchschnitt Kupe das Seil, an dem der Anker des Bootes festgemacht war, und paddelte zurück ans Land. Sodann machte er sich auf zu Kuramarotinis Haus. In der Zwischenzeit war Hoturapa wieder aufgetaucht, und als er sah, daß Kupe und das Boot verschwunden waren, schrie er verzweifelt: »Oh Kupe, so bring doch das Boot hierhin zurück und nimm mich auf!« Kupe blieb jedoch ungerührt und ließ Hoturapa umkommen.
Danach setzte er alles daran, um der sicheren Rache von Hoturapas Verwandten zu entkommen. In aller Eile rüstete er zur Flucht aus Hawaiki. Kuramarotini besaß ein Kanu, das ihr Vater Toto aus der einen Hälfte des Baumstammes vom Ufer des Waiharakeke-Sees für seine Tochter geschlagen hatte, und dieses Kanu hieß Matahorua. Aus der anderen Hälfte des Baumstammes hatte Toto ein Kanu für seine Tochter Rongorongo, Kuramarotinis Schwester, geschlagen. Rongorongo sollte später mit ihrem Mann Turi auf diesem zweiten Kanu mit Namen Aotea die leise nach Aotearoa antreten. Auf der Matahorua nun stießen Kupe und Kuramarotini in See und erkundeten den Ozean.
Und so kam es, daß sie schließlich Aotearoa fanden, das Land der langen weißen Wolke; einige Berichte sprechen aber davon, daß es Hine te aparangi war, Kupes Frau, die als erste das neue Land sichtete.
Die Überlieferung erklärt uns die Umstände der Entdeckung von Aotearoa durch Kupe auf vielfältige Weise. Eine Version spricht davon, daß Kupe an der Ostküste der Nordinsel entlangfuhr, bis er an dem Ort ankam, der heute Castle Point heißt:
Dort lebte ein riesiger Tintenfisch, und der hatte noch nie ein Kanu, geschweige denn einen Menschen gesehen. So sehr erschrak er bei Kupes Anblick, der mit seinen Leuten in der Matahorua daherkam daß er seine Höhle verließ und in Richtung Raukawa, der heutigen Cook-Straße, floh. Kupe folgte ihm, und so fand er die Seestraße, die die Nordinsel von der Südinsel trennt.
Weiter flüchtete der Tintenfisch namens Te Wheke a Muturangi, quer über die Seestraße und tief hinein in Te Awaiti, den heutigen Tory-Kanal. Wieder folgte ihm Kupe, und trotz Kura te au, der starken Brandung, die sich seinem Kanu entgegenstemmte, fand er den Eingang zur Südinsel. Te Wheke aber hatte sich in Te Awaiti verborgen, und als er Kupes Kanu näher kommen hörte, warf er seine riesigen Arme in die Höhe, um das Kanu zu überwältigen und dessen Besatzung zu verschlingen.
Kupe hatte Te Wheke schon von weitem gesehen und darüber nachgedacht, wie er dieses Riesentier wohl unschädlich machen könne. Zuerst versuchte er, die Arme Te Whekes, deren Saugnäpfe schon bald an Kupes Kanu festhingen, abzuschlagen, doch ohne Erfolg! Te Wheke schien das gar nichts auszumachen! Dann aber nahm Kupe die riesige Kalebasse, in der das Süßwasser für die Besatzung aufbewahrt wurde, und warf sie über Bord. Tatsächlich stürzte sich Te Wheke auf die Kalebasse und gab so Kupe die Gelegenheit, ihn von oben herab mit seiner Axt zu erschlagen. Te Wheke a Muturangi war besiegt.
Die Version von Te Matorohanga berichtet ausführlicher vom Grund der Reise Kupes:
Kupe und seine Leute gingen eines Tages zum Fischen; alle Fischer verloren jedoch ihre Köder, ohne auch nur einen einzigen Fisch zu fangen, und verwirrt von diesem ungewöhnlichen Vorgang kehrten sie zurück an Land. Am nächsten Tage wiederholte sich dieser Vorgang, und so beschlossen die Fischer, einen Priester um Rat zu fragen. Der sprach eine Beschwörung über ihre Haken und Leinen, und als sie das nächste Mal zum Fischen hinausfuhren, erfuhren sie, wo ihr Köder an den beiden anderen Tagen geblieben war: eine Unzahl von Tintenfischen trieb sich in ihren Fischgründen umher, und der größte unter ihnen, der Muturangi, einem Feind Kupes gehörte, feuerte die Kleineren an, den Köder von den Haken der Fischer zu beißen. Kupe ging nun und beschwerte sich bei Muturangi über das Benehmen des großen Tintenfisches, ja er forderte, daß Muturangi den Tintenfisch tötete.
Dazu war Muturangi aber nicht bereit, und so machte Kupe die Matahorua fertig und zog mit einigen anderen Kanus los, um Muturangis Tintenfisch selbst zu töten. Wieder war'en die Fischer in ihren Fischgründen die Angeln aus, dieses Mal aber zogen sie sie wieder ein, bevor das Senkblei den Meeresboden berührte. Die Tintenfische, die dem Köder nachschwammen, kamen bis hoch zur Wasseroberfläche, und dort wurden sie schon von Kupe und seinen Fischern erwartet, die sie der Reihe nach erschlugen. Der größte der Tintenfische, dem die ganze Aktion galt, beobachtete aus sicherer Entfernung, was vor sich ging. jedes Mal aber, wenn ihm die Fischer näher kamen, schwamm er ins offene Meer hinaus und entzog sich so seinen Verfolgern. Da beauftragte Kupe seinen Freund Ngahue damit, den Tintenfisch im Auge zu behalten, während er ans Land zurückpaddelte, um Vorräte zu laden.
Er hatte sich geschworen, den Tintenfisch zu töten und bereitete sich auf eine langwährende Jagd vor. Neben den Vorräten nahm er auch seine Familie und sechzig Besatzungsmitglieder an Bord, und dann erst machte er sich auf zu der Stelle, an der er Ngahue verlassen hatte. Ngahue und Kupe nahmen nun die Verfolgung des Tintenfisches auf. Der wartete sogar manchmal, bis die Verfolger ihn eingeholt hatten, dann aber machte er sich wieder davon, solange, bis sie plötzlich bei einer Landmasse mitten im Ozean ankamen, und diese Landmasse war Aotearoa.
Kupe verfolgte Te Wheke bis zur Cook-Straße, und nach einem Kampf mit dem Tintenfisch erschlug ihn Kupe mit seiner Axt Rakatuwhenua.
Kupes Reise zurück nach Hawaiki ging über das heutige Wellington, das die Maoris Whanganui a Tara nennen Taras großen Hafen , und ihm wird nachgesagt, daß er die beiden kleinen Inseln inmitten dieses prächtigen Hafens nach seinen beiden Töchtern Matiu und Makaro benannte. An der Mana und der Kapiti-Insel vorbei führte ihn seine Reise der Westküste der Nordinsel entlang nach Norden, und dort stieß er auf die Flußmündung des Patea-Flusses. An dieser Flußmündung vernahm er die beiden einzigen Bewohner des neuen Landes, den Kokako und den Tiwaiwaka.
Von Hokianga nui a Kupe aus, weiter im Norden, trat er schließlich die Heimreise an, und verließ die Ufer von Aotearoa. Mit ihm zusammen war, wie wir schon wissen, Ngahue nach Aotearoa gekommen.
Der Grund seiner Reise war weniger die Verfolgung des Tintenfisches, als der Streit um Pounamu, den grünen jadeähnlichen Stein, und Whaiapu, den Feuerkiesel oder Sandstein. Der Ahne und Hüter von Pounamu war Poutini, und Hinetuahoanga hütete Whaiapu. Nun besaß aber Ngahue ein Stück des wertvollen Pounamu und das erzürnte Hinetuahoanga so sehr, daß ein großer Streit zwischen den beiden entbrannte. Dieser Streit trieb Ngahue schließlich aus Hawaiki, und er machte sich auf, einen Ort zu finden, an dem sein Pounamu Frieden finden würde.
Seine erste Station war Tuhua, und dort gedachte er den Stein zu lassen. Hine hatte ihn aber bis dorthin verfolgt, und so zog Ngahue denn weiter, immer noch auf der Suche nach einem sicheren Flecken für Pounamu. Diesen Flecken fand er am Ende in Arahura, an der Westküste der Südinsel von Aotearoa, und noch heute kann man da den wertvollen Stein finden. Sodann kehrte auch Ngahue nach Hawaiki zurück, und seine Reise zurück soll über Wairere, Whangaparaoa und Tauranga geführt haben.
Bevor er Arahura verließ, brach er ein Stück des Steines Pounamu ab, und dieses Stück begleitete ihn zurück in die Heimat. Dort fertigte er scharfe Äxte aus dem Stein, und eine seiner Äxte nannte er Tatauru, die andere Hauhauterangi. Aus einem Reststück des Steines fertigte er edlen Schmuck, und eines der Schmuckstücke war das Ohrgehänge Kaukaumatua, das sich im Jahre 1846 im Besitz von Te Heuheu befand. Als Te Heuheu jedoch mit vielen seiner Leute bei einem Erdrutsch ums Leben kam, ging Kaukaumatua verloren.
Ngahue wußte von dem neuen Land, das Kupe und er besucht hatten, nur Gutes zu berichten. Kupe erzählte von den beiden einzigen Bewohnern, die er getroffen hatte, und Ngahue erzählte, daß es dort Moa und Pounamu im Überfluß gäbe. Sie beschrieben die Schönheit des Landes, und ihr Bericht bewegte viele Bewohner von Hawaiki, dem Streit und den Kriegen ihrer Heimat zu entkommen, und einige von ihnen machten sich in der Folge auf in dieses Land. Eines der ersten Kanus, die die Reise wagten, war die Aotea mit ihrem Häuptling Turi und dem Priester Tapo an Bord.
Das größte Kanu von allen jedoch, die nach Aotearoa kamen, war die Arawa, und mit ihr kamen Tama te kapua und Ngatoro i rangi ins neue Land.
Tainui war der Name eines anderen Kanus, das die Ufer von Aotearoa etwa zur gleichen Zeit wie die Arawa erreichte. Aber neben diesen Kanus, deren Geschichte in den folgenden Kapiteln ausführlicher erzählt wird, kamen auch andere Kanus nach Aotearoa: Die Mataatia zum Beispiel, die Kurahaupo, die Takitimu und die Tokomaru.
Alle, die auf den einzelnen Kanus nach Aotearoa kamen, formten Stämme und Unterstämme und ließen sich an verschiedenen Stellen des neuen Landes nieder. lhre Nachfahren leiten ihre Herkunft und Abstammung noch heute von den verschiedenen Kanus ab, mit denen ihre Vorfahren von Hawaiki, der Heimat der Maoris, nach Aotearoa kamen.
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