Tradition und Kultur

Legenden und Sagen


 

Legende von den sterblichen Wesen

In der Maori-Religion sind alle Lebewesen sterblich, nur die Seele lebt nach dem Tod weiter. Dagegen sind die Götter, von denen alles abstammt, unsterblich. Wie es dazu kam, erzählt die Legende von den sterblichen Wesen:

 

Tane und die Maid der Dämmerung hatten eine Tochter, die sie Hine-rau-wharangi nannten, die Personifikation des Pflanzenwachstums. Sie war das erste Kind, das nach dem Maori-Ritual getauft werden sollte. Ein kleiner Vogel, Miromiro genannt, wurde dabei freigelassen, damit er zu einem Bindeglied zwischen dem Kind und den Göttern werde.

Doch in dieser Zeit kam es zu einem unlösbaren Rollenkonflikt zwischen Hine-titama und Tane. „Wer ist mein Vater?“ fragte Hine-titama ihren Gemahl. Tane wich ihrer Frage aus, indem er indirekt antwortete: „Frag die Pfähle unseres Hauses, sie werden es dir sagen.“

Hine erkannte, dass Tane selbst ihr Vater sein musste und fuhr fort: „Ich werde in die Unterwelt hinabsteigen, in den Leib unserer alten Erdenmutter. Dort werde ich einen Platz für unsere Abkömmlinge schaffen.“

Dann entfloh Hine nach Poutererangi, wo der Pfad in die Unterwelt beginnt. Am Tor hielt sie an, blickte zurück und rief dem weinenden Tane zu, der ihr gefolgt war: „Geh zurück, Tane, zieh unsere Kinder auf und bring sie in die Welt des Lebens. Ich werde sie in die Unterwelt herunterholen und mich um ihr spirituelles Wohl sorgen.“ Dann wandte sie sich um, durchschritt das Tor und eilte in die unterirdische Finsternis. Dort nahm sie den Namen Hine-nui-tepo an: die „Grosse Dame der Dunkelheit“. Obgleich sie die Göttin des Todes wurde, blieb sie eine gütige Gottheit, die sich der Abkömmlinge Tanes annahm, wenn sie kamen, um mit ihr in der Unterwelt zu leben.

 

Quelle: Lewis, Davis: "Die Maori. Die Erben Tanes" Luzern und Herrsching 1988

Text drucken

Copyright © 2004 Hartmut Spahr. Alle Rechte für Texte und Fotos vorbehalten.