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Überblick über Ursprung und Entwicklung des Wappenwesens

von Joh. Jos. Kenfenheuer, Wappensammlung, Bergisch Gladbach 1942

Das Wappenwesen, auch Heroldkunst oder Heraldik genannt, ist für die breite Öffentlichkeit noch ein Buch mit sieben Siegeln. Wenn aber mit wenigen Worten ihre historische Entwicklung aufgezeigt wird, bekommt das Wappen Leben und Gestalt und zeigt deutlich den einzigartig hohen moralischen Wert, den es, als das äusserliche Ehrenpanier der Sippen, für diese hatte und noch hat, da es nichts gibt, was das Wappen, als verbindendes Zeichen der Gemeinschaft, hier ersetzen kann. So wie die Kokarde das äussere Kennzeichen gemeinsamer Nationalität, ist das Wappen das gegebene Kennzeichen der Sippenzugehörigkeit, deshalb sollte jeder, gleich welchem Stand er angehört, ein Wappen führen.

Während die Haus- oder Hofmarken bis in die graue Vorzeit hinaufragen und bestimmt waren, Vieh oder Werkzeuge als das Eigentum ihres Besitzers festzulegen, wurzelt das abendländische Wappenwesen, die Heraldik, im ritterlichen Leben des 12. Jahrhunderts und verfolgt anfangs nur den Zweck, den bei geschlossenem Visier unkenntlichen Ritter durch persönliche Abzeichen erkennbar zu machen. Diese wurden zunächst auf dem Schilde, später auf Helm, Fahne, Rock und Pferdedecken angebracht. Langsam hat sich in jahrhundertelanger Entwicklung aus der Kennmarke des freien Kriegers oder dem Herrschaftszeichen der Fürsten und Dynasten das herausgebildet,was wir heute als Wappen bezeichnen: "Symbolische Kennzeichen eines Geschlechts, dargestellt in der Schildform und begleitend geschmückt mit dem Helm und den Helmdecken".

Mit dem Verfall des Rittertums verlor das Wappen seine ursprüngliche Zweckbestimmung und dient nunmehr in erster Linie als Siegelbild, Hausschmuck und Hausratskennzeichen. Die ursprüngliche zweckentsprechende einfache Schönheit der Wappen ging immer mehr unter in einer Fülle schmückenden Beiwerks, das sich immer mehr von den strengen ursprünglichen Kunstregeln entfernte. Hatte ursprünglich jeder dann ein Wappen angenommen, wenn er es brauchte, so sah nunmehr erstmalig Kaiser Karl IV hierin auch die Möglichkeit, es als "Ehrendiplorm" zu verleihen, ähnlich der heutigen Ordensverleihung. Rasch machte dies Schule und viele grosse und kleine Potentaten verliehen Wappenbriefe. Zahlreiche sogenannte Beauftragte des Kaisers, insbesondere Hofpfalzgrafen und Reichsvikare verliehen zahlreiche Wappen, nicht nur an verdiente Bürger und Adelige, sondern auch solchen, deren Verdienst nur in einer guten Bezahlung bestand.

Kaiser Friedrich III., auf den besonders zahlreiche Wappenverleihungen zurückzuführen sind, verbot die eigenmächtige Annahme von Wappen. Es entsprach der neuen Zweckbestimmung, dass Trägern alter Wappen eine "Besserung" ihrer Wappen verliehen wurden, die in einer Vermehrung der Wappenzeichen bestand, die dadurch allerdings nicht schöner wurden, sondern auch eine Verwässerung ihrer Urprungsidee erfuhren. Gerade die sogenannte "Diplomheraldik" weist viele Wappen auf, die sogar im Sinne der alten heraldischen Gesetzmässigkeit durchaus unheraldisch sind. Die Rivalität der besitzstolzen, mittelalterlichen Bürger, die sich in den Städten nicht geringer dünkten als viele vom Adel, trug dazu bei, dass wir heute auf eine grosse Menge überlieferter Wappen sehen können, sodass das Wappenwesen, ebenso wie die Familienkunde, eine Hilfswissenschaft der Historik darstellt. Nach den Regeln der Wappenkunst ist der wichtigste Teil des Wappens der Schild. Seine Form änderte sich mit dem Stilempfinden und entsprach im Mittelalter den Kampfschilden der ritterlichen Wirklichkeit (frühgotisch, spätgotisch). Seit dem 16. Jahrhundert entfernte sich die Stilform immer willkürlicher und mehr von der ursprünglichen Zweckform.

Der Schild enthält das den Träger kennzeichnende Wappenbild: Das Heroldstück oder die gemeine Figur. Heroldstücke bestehen in einer blossen Aufteilung der Schildfläche durch Linien in zwei oder mehrere Stücke. Gemeine Figuren sind Gegenstände aus Natur und Technik, zum Beispiel: Tiere, Pflanzen, Fabelwesen, Bauwerke, Himmelskörper, Geräte usw., sie dürfen nie perspektivisch dargestellt werden. Die kennzeichnende Deutlichkeit von Heroldsstücken und gemeinen Figuren wird noch durch Farben verschärft. Als solche werden in der guten Heraldik fast ausschliesslich verwandt: Rot, Blau, Grün, Schwarz und die sogenannten Metalle, nämlich Gold und Silber. An Pelzwerken finden wir: den Hermelin, den Gegenhermelin, das Feh und die Fehwamme. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts gesellte sich zum Schilde der Helm. Die Entwicklung unterschied vier wappenmässige Helme: Topfhelm, Bügelhelm, Stechhelm und den neueren Spangenhelm. Seit der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts gilt - ohne triftigen Grund - der Spangenhelm als ausschliesslich dem Adelswappen vorbehalten, während das bürgerliche Wappen den Stechhelm aufweisen soll. Zum heraldischen Helm gehören Helmzier und Helmdecken. Die Helmzier wird an oder auf dem Helm angebracht und wiederholt häufig das Wappenbild des Schildes, zeigt in der Regel auch dessen Hauptfarbe.

Die Helmdecke (zuerst im 13. Jahrhundert) geht stets vom Kopfe des Helmes aus und umrahmt den Schild, anfangs als mantel- oder tuchartige Decke, später als band- oder blattartiges, stark ausgezacktes und geschwungenes Ornament. Für ein grösseres Prunkbedürfnis stehen noch die sogenannten Nebenstücke zur Verfügung: Schildhalter, Wappenmäntel, Fahnen, Devisen, Rangkronen und Ordenszeichen. Schon an dieser rohen Umrisszeichnung erkennen wir, dass die Heraldik eine höchst vielseitige und verwickelte Kunst mit einer besonderen Fachsprache ist.

Während das Ur- oder Stammwappen frei gewählt und frei angenommen wurde, begann unter Karl IV die Verleihung des Brief- oder Diplomwappens von seiten des Kaisers und der Landesherren, und längst hat das Wappen aufgehört, ein Standesvorrecht zu sein. Heute gilt das Wappen als stolzer Schmuck auf Siegelringen, Briefpapier, Tischsilber usw. und so wenig sich der Neuannahme eines Wappens rechtliche Hindernisse entgegenstellen, so sehr lebt noch sein innerer Wert: Ein Gemeinschaftszeichen zu sein, das zu sittlicher Haltung und opferbereiter Treue der Sippe und Familie gegenüber verpflichtet.

Besondere Bestimmungen über die Führung von Wappen gesetzlicher Art, gibt es bis jetzt nicht. Über die heutige Rechtslage äussert sich treffend Dr. Erich Wentscher, der Schriftleiter der Zeitschrift "Archiv für Sippenforschung und verwandte Gebiete" in seiner "Einführung in die praktische Genealogie" (Görlitz 1933):
"Die Fähigkeit ein Wappen zu führen, liegt keineswegs nur bei bestimmten Ständen oder Bevölkerungskreisen und durchaus nicht etwa nur beim Adel. Schon im 13. Jahrhundert sind bürgerliche Wappenträger nachweisbar und ebenso stand Bauern und sogar Juden die Wahl eines eigenen Wappens frei. Diese allgemeine Berechtigung kann auch durch das spätere Verleihungswesen nicht als aufgehoben gelten, besonders, seitdem es keine verleihungsberechtigten Souveräne mehr in Deutschland gibt. Jeder kann nach eigenem Gutdünken ein Wappen annehmen oder verändern. Der moderne Rechtsstaat übt über die Familienwappen keine Kontrolle aus wie über unsere Namen und ich bezweifle deshalb auch, dass er den Namensschutz aus § 12 BGB auf einen Schutz der Familienwappen ausdehnen kann. Um bei dieser Lage das Wappenwesen nicht völlig zu entwerten, sind wir zu doppelter Vorsicht verpflichtet. Die Neuannahme eines Wappens sollte nur mit fachmännischer Hilfe erfolgen und muss die heraldischen Regeln achten.

Wichtiger als die Neuannahme wird jedem Ehrfürchtigen eine erschöpfende Untersuchung darüber sein, ob und in welchen Formen unser Stamm vielleicht schon früher ein Wappen geführt hat, zu dessen Wiederaufnahme wir als Nachkommen berechtigt wären."

Zu dieser Untersuchung wurde nachstehende fotokopierte Zusammenstellung geschaffen. Sie berücksichtigt den weitaus grössten Teil aller in der Literatur und sonstigen Sammlungen bekanntgewordenen Wappen des gewünschten Namens.

Bei der Forschung nach etwa vorhandenen oder in der Familie überlieferten Wappen muss noch darauf hingewiesen werden, dass es zu jeder Zeit - besonders im vergangenen Jahrhundert - Leute gegeben hat, die Phantasiestammbäume und -Wappen hergestellt haben. Als Quelle wurden Titel angegeben, die meist nur einen Teil des wirklichen Buchtitels darstellten oder überhaupt nie existiert haben, z.B. "Europäische Wappensammlung" usw. Diese Wappen sind entweder reine Erfindungen, einschl. der beigefügten Entstehungs- oder Bedeutungs-"Legende" oder einfach namensgleiche oder namenßähnliche Adelswappen. Wer ein solches "Erbstück" besitzt, tut gut daran, besonders sorgfältig die Frage der Herkunft zu klären. Diese Frage berührt einen Punkt, der als wesentlichster bei jeder Wappenforschung überhaupt zu berücksichtigen ist. Nur der Nachweis der blutmässigen Abstammung von dem damaligen Wappeninhaber berechtigt heute lebende Personen gleichen Namens zur Führung gleichen Wappens. Voraussetzung ist also die urkundlich nachgewiesene Zugehörigkeit zur selben Sippe. Beachtet man diese Tatsache nicht genügend und nimmt ohne weiteres ein Wappen einer gleichnamigen Familie in Gebrauch, so schmückt man sich nicht nur mit fremden Federn, sondern läuft auch Gefahr, wegen dieses Missbrauchs von berechtigter Seite belangt zu werden.

Wenn diese Frage nicht oder nur mit Mitteln geklärt werden kann, die dem Interessenten nicht zur Verfügung stehen - sei es Zeit, Kosten oder sonstige Umstände - so sollte lieber ein neues Wappen möglichst ein "redendes" Wappen, angenommen werden. Unter einem "redenden" Wappen versteht man ein Familienwappen, in welchem nach Möglichkeit der Name, der Beruf und die Herkunft bildlich oder symbolisch dargestellt sind. Es wird um so besser werden, je mehr man dekorativen Öberfluss vermeidet und es bei einem einfachen, einprägsamen. Schildbild und Helmzier belässt. Man bedenke, dass auch etwa von mir oder anderen zu Forschungszwecken oder des Interesses halber erworbene Wappenkopien nur als Forschungsobjekte anzusehen sind und nicht als Sippenzeichen etwa im Siegelring usw. in Gebrauch genommen werden können, wenn es nicht möglich ist, den direkten Zusammenhang mit dem ehemaligen Träger des Wappens nachzuweisen.

Sollten Sie nicht ohne weiteres in der Lage sein, Ihre blutsmässige Beziehung im Mannesstamm mit einem vorliegenden Wappen nachzuweisen, sodass es fraglich bleiben wird, ob Sie zur Führung desselben in der vorliegenden Form berechtigt sind, so empfehle ich Ihnen angesichts der hohen ethischen Bedeutung des Wappens als ein Ehrenzeichen der Sippe, mich mit der Ausführung des neuen Wappens auf historischer Grundlage zu beauftragen, zu dessen Führung Sie dann berechtigt sind.

In diesem Falle steht es Ihnen frei, selbst Vorschläge zu machen, die unter Berücksichtigung der heraldischen Gesetze persönliche Motive (Versinnbildlichung des Namens, des eigenen oder der Vorfahren Beruf, des Herkunftsortes der Vorfahren, des Erbhofes oder sonstigen Besitzes usw.) betonen könnten oder mir als Fachmann freie Bewegung zur Ausgestaltung Ihres Familienwappens zu gestatten. Schön und eindrucksvoll wirkt natürlich auch das Wappen, welches anklingt an irgend ein Familienereignis, sei es dienstlicher, militärischer, sportlicher, jagdlicher oder wirtschaftlicher Art, das sich meist in eindrucksvollem und prägnantem Symbol auf dem Wappen darstellen lässt. Es gibt wohl in jeder Familie freudige oder ernste Ereignisse, die nicht in Vergessenheit geraten sollten und man könnte tausend Beispiele anführen, in denen der Ahn seine Enkel und Urenkel im Wappenbild symbolisch an dieses Ereignis über das Grab hinaus erinnert. Das Bewusstsein, dass das gewählte Symbol im Siegelring, auf Briefkopf und Schnitzwerk auch noch den Kindeskindern ein verpflichtendes Denkmal sein wird, sollten jeden selbstbewussten Mann zur Führung eines Familienwappens veranlassen. Ausser als Familien- und Sippenzeichen ist für gewerbliche Zwecke ein führungsberechtigtes Wappen natürlich auch von unübertrefflichem Wert als Marke und Gütezeichen, wofür ebenfalls tausende von Beispielen angeführt werden könnten.


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