Familienwappen

Lich
Köln
Filderstadt


Lich - eine Stadtbeschreibung

von Johann Jakob Spaar, Museumsangestellter in Mainz, Nov. 1939

Die geschichtliche Betrachtung der Stadt Lich bis in die vorgeschichtliche Zeit der eigentlichen Menschheitsgeschichte hinein auszudehnen, mag hier zu weit führen. Nur ganz kurz will ich darüber schreiben.

Der Name Lich wurde in verschiedener Schreibweise geschrieben. Weigand erklärte den Namen "leoh, lioh" = Buschwald. In Urkunden hieß es 788 Lichan und durch weitere 18 Änderungen kam man auf die heutige Schreibweise ¹.

Sehr wenig wissen wir von seiner ältesten Geschichte. Die ersten Nachrichten bekommen wir durch die aus dem Jahre 790 heute noch erhaltene Schenkungsurkunde der Klöster Lorch und Fulda, die seine Lage im Gau der Wetterau bestimmten. In der Zeit, da unsere Familiengeschichte anfängt, im dreißigjährigen Krieg, lebte hier ein uns allen bekannter und sehr berühmter Kupferstecher mit Namen Merian. Dieser hat in seiner Beschreibung der vornehmsten Städte und Orte Hessens, von Lich folgendes geschrieben:

"Licha ist ein lustiges Gräfflich Solmsisches Stätlein in der Wetteraw, an der Wetter, gar schön gelegen."

Wollen wir mal eine ganz rasche Wanderung durch die Geschichte dieses landschaftlich so schön, von bewaldeten Höhen, z.B. dem roten Schütt, dem Hardtberg und Breuerberg ², umgebenen Städtchens unternehmen.

Sobald wir mit unserem Wanderstab in der Hand die staubbedeckte Landstraße verlassen und die Höhe des Hardtberges erklommen haben, so kann sich unser Auge an einem herrlichen Ausblick weiden. Wir lassen unsere Blicke schweifen und heften sie auf das mit seinem reichen Wald und Seen umgebene Städtchen Lich. Als eine alte, bis zur Steinzeit reichende, und ehemals eine der stärksten Festungen Hessens, heute 3000 Einwohner zählend, ist uns diese Stadt bekannt, in deren Straßen einstens der Marschtritt der römischen Legionen hallte, zog doch südöstlich von Lich der Pfahlgraben entlang. 1239 wird eine steinerne Straße genannt, die vielleicht schon zu Zeiten der Römerherrschaft bestanden hat.

Von der Schenkungsurkunde aus dem Jahre 790 haben wir bereits gelesen. Um 1050 sind die Herren von Arnsburg Besitzer von Lich. 1100 waren die Herren von Hagen die Regenten von Lich, die sich später die Herren von Münzenberg nannten und bis zum 12. Jahrhundert in Arnsburg ansässig waren. Als im Jahre 1250 die Münzenberger ausgestorben waren, wurde der Besitz unter viele Erben aufgeteilt. Den größeren Teil bekamen die Herren von Falkenstein. Philipp III., der bei einer Teilung um 1300 den Licher Anteil erhielt, ist es vielleicht gewesen, der die Burg ausgebaut hat. Diese Burg steht an der Stelle des heutigen Schlosses, ihre Vorläufer waren eine Wasserburg (wovon der Schloßteich noch Kunde gibt) und 3 ältere Befestigungen ³.

Laut Urkunde vom 10. März 1300 verlieh Kaiser Albrecht I. an Philipp III. für Lich die Stadtrechte. Nun ging Philipp III. an den Ausbau der Befestigungsanlage. Lich bekam das Marktrecht. Von dem Tage des Stadtrechtes an hat sich die Lage und das gesamte Bild der Stadt geändert. Aus einer Dorfsiedlung wurde ein Landstädtchen, das mit Wällen und Gräben umgeben wurde. Die Wälle wurden 1890-1915 aus Unverstand zur Ziegelherstellung abgetragen. Mit knapper Not wurde noch eine schwache Erinnerung an die ehemalige Befestigungsanlage, die bis 1900 fast vollständig erhalten war, gerettet. Drei Tore führten in das Städtchen: das Untertor (im Süden), das Obertor (im Norden, wo noch die Bastion und ein kurzes Stück Wall erhalten ist) und das Röthertor (im Westen). Der aus dem 16. Jahrhundert stammende trutzige Stadtturm ist mit seiner Höhe von 50 Metern eine Zierde von Lich. Bewohnt war dieser Turm bis 1914, er dient heute als Glockenturm der in allernächster Nähe befindlichen Marienstiftskirche. Durch Blasen wurde den Bewohnern von Lich vom Turme aus Freund und Feind gemeldet. Eine genaue Erbauungszeit des Turmes weiß man nicht. Er stand schon 1537, beim Bau der Kirche.

Das Geschlecht der Falkensteiner starb 1418 aus. Die Grafen von Solms erhielten die Stadt und die Landschaften. 1806 verlor der damalige Fürst Carl seine Selbständigkeit. In diesen zurückliegenden Jahrhunderten hat sich Lich, lange Zeit in seinen Festungsgürtel eingeengt, nach außen hin wenig verändert. In neuerer Zeit hat sich die Stadt durch Neubauten mehr ausgedehnt. An Industrie besitzt Lich ebenfalls einige Werke. So ist die größte Brauerei von Oberhessen in Lich, eine landwirtschaftliche Maschinenfabrik und eine Ziegelbrennerei. Ebenso blüht das Handwerk und die Ladengeschäfte sind auf der Höhe ¹¹. Neben dem Handwerk treiben die Einwohner noch starken Ackerbau und beträchtliche Viehzucht.

Lich hatte bei Einführung der Reformation fünf Gotteshäuser, zu denen die Marienstiftskirche gehörte. Vier Gotteshäuser wurden bei Einführung der Reformation geschlossen. Die Unserer Lieben Frau geweihte Stiftskirche ist eine spätgotische Hallenkirche und kann auf die Zeit über 400 jährigen Bestehens zurückblicken. In den noch vorhandenen Bauakten lesen wir erstmalig im Jahre 1409-10 von einer Planung. Vorbild für die neue Kirche war die Heiliggeistkirche in Heidelberg.

Graf Philipp erwähnt Ende Februar 1510 in einem eigenhändigen Schreiben an seine Beamten in Lich den Neubau einer Kirche in Lich. Die alte Kirche, 1320 geweiht, kann eine Hallenkirche gewesen sein und hatte einen Lättner. Mit dem Abbruch der alten Kirche sollte Martini oder Weihnachten 1510 begonnen werden. Aus Akten ist festgestellt worden, daß an der Kirche verschiedene Bauperioden zu verzeichnen sind. Sie wurde 1517 eingeweiht.

An dem Gotteshaus wurden sehr viele Veränderungen vorgenommen. Zwei der größten müssen 1594 und 1622 stattgefunden haben. Sehr gute Auskunft gibt uns eine Inschrift, die an einer Kirchenwand 1594 niedergeschrieben und uns durch Pfarrer Georg Anthes zu Reichelsheim i.O. überliefert wurde. So wie die Kirche in ihrem Äußeren Veränderungen erlebte, so fanden auch im Inneren Veränderungen statt. (Über die einzelnen Baubeschreibungen ist im Kustdenkmälerwerk, Kr. Gießen, S.242 ff. näheres zu lesen.)

Trotz der vielen Umbauten und Änderungen, welche die Kirche erlebt hat, behielt sie für jeden, der sich ihr nähert, um Trost und Frieden in ihrem Inneren zu finden, ihren imposanten Reiz. Reich ausgestattet mit Grabdenkmälern der Falkensteiner, der Grafen von Solms und anderer Fürstlichkeiten, birgt die Kirche viele andere Kunstschätze. (Die Grabdenkmäler sind mitunter älter als die im 16. Jahrh. erbaute Kirche.)

Außer den vier Altären besitzt die Kirche noch ein Prunkstück: Die reich geschnitzte Kanzel aus dem ehemaligen Kloster und der heute so imposanten Ruine Arnsburg, die 1174 durch Kuno von Münzenberg gegründete Zisterzienser-Abtei, welche eine Stunde Wegs durch das Gottesackertal von Lich entfernt liegt ¹².

Eine weitere Sehenswürdigkeit ist das alte Schloß der Fürsten zu Solms-Hohensolms-Lich.

Wie schon erwähnt, ging dem heutigen Schloß, das ein Renaissancebau ist, eine Wasserburg und dieser drei ältere Befestigungsbauten voraus. Die Burg ist um 1300 erstanden. An dem Schloß selbst wurde viel umgebaut und verändert. Die letzte Umänderung fand in den Jahren 1911-12 statt. Die 2 heute noch im Süden stehenden Ecktürme mit ihren großen Hauben, geben dem Schloß seinen Charakter. Diese Türme sind noch die Reste von den, vor dem 18. Jahrhundert bestandenen, 5 Rundtürmen und 2 Stiegentürmen. Im Inneren besitzt das Schloß reiche Kunstschätze, erwähnenswert sind die verschiedenen Bildteppiche und Gemälde. Wunderbare Gobelins (von 1634) zieren den großen Schloßsaal. Wie im Inneren des Schlosses, so sehen wir auch im Schloßpark gesammelte Kunstdenkmäler. Bemerken möchte ich noch, daß dieses Schloß die Geburtsstätte der am 16.11.1937 so tragisch ums Leben gekommenen Großherzogin Eleonore von Hessen war.

Wenden wir unsere Blicke noch einmal rasch in die Straßenzüge der Stadt, so sehen wir noch viele alte Fachwerkhäuser. Teils sind sie mit hübschen Erkern und teils mit Inschriften versehen. Beim Durchwandeln der Straßen begegnen uns aus allen Zeitaltern, vom 14. Jahrhundert ab, Bauten unserer Vorfahren. Wenn auch des öfteren schon renoviert, so steht man doch mit höher schlagendem Herzen vor diesen Erbstücken unserer Väter. In vielen Straßen trifft man verschiedene Bauperioden an. Sehr lieblich sehen die reich geschnitzten Erker aus.

Besonders hervorheben kann man folgende Häuser:
Arnsburger Hof, Bahnstraße 16 (14. Jahrhundert), Hüttengasse 4 (15. Jahrhundert), Unterstadt 5 (15. Jahrhundert), Westfal'scher Hof, Schloßgasse 8, Haus zur Rose, Oberstadt 7 (um 15. Jahrhundert), Hintergasse 39, gotisches Fachwerk, Schloßgasse und in der Oberstadt finden wir noch Bauten aus dem 16. Jahrhundert.

Verlassen wir jetzt wieder die erklommene Hardtbergshöhe, so können wir mit dem guten Bewußtsein im Herzen gehen, "alles in allem, Lich ist ein an Schönheiten und Geschichtsdenkmälern reiche Kleinstadt".

Quellenangaben

¹ Die Kunstdenkmäler im Volksstaat Hessen; Kreis Gießen, Band 3, Südlicher Teil
² Das Großherzogtum Hessen, von Dr. Ph.A.F. Walter
³ Volk und Scholle, Heft 10, 1929
¹¹ Lich als Jubiläumsstadt
¹² Baubuch für evangelische Pfarreien, von Dr. Dr. Dr. W. Diehl


Copyright © 2000 Hartmut Spahr. Alle Rechte für Texte und Fotos vorbehalten.